DAZ.online: 250 JAHRE PHARMAZIEGESCHICHTE IM MUSEUM

DAZ.online: 250 JAHRE PHARMAZIEGESCHICHTE IM MUSEUM
BERLIN – 09.11.2018.

Seit Ende Oktober können Interessierte das pharmaziehistorische Privatmuseum „Museum Obertor-Apotheke“ im bayerischen Marktheidenfeld besichtigen. Die Besucher werden auf eine Entdeckungsreise durch 250 Jahre Pharmaziegeschichte geschickt. Das Museum präsentiert in den Räumen der ehemaligen Obertor-Apotheke über 900 Sammlungsgegenstände in historischer Einrichtung.

Am 27. Oktober dieses Jahres wurde im bayerischen Marktheidenfeld das neue pharmaziehistorische Privatmuseum „Museum Obertor-Apotheke“ eröffnet. Im Mittelpunkt stehen 250 Jahre Apotheken- und Pharmaziegeschichte. Das Museum ist in den Räumlichkeiten der im Jahre 2012 wegen fehlender Rentabilitaät geschlossenen Obertor-Apotheke untergebracht. Museumsleiter – und letzter Besitzer der Obertor-Apotheke – Dr. Eric Martin berichtet DAZ.online von der langen Geschichte der historischen Apotheke, von der Idee zur Museumsgründung, von vielfältiger Unterstützung und langem Atem, die eine Museumsgründung benötige – und einer Ausstellung, in der auf eigene Faust Apothekengeschichte erobert werden könne.

 

Obertor-Apotheke – 250 Jahre verbunden mit Marktheidenfeld

Apotheker Dr. Eric Martin ist eng mit der Geschichte der Obertor-Apotheke in Marktheidenfeld verbunden. Im Gespräch mit DAZ.online lässt er die Geschichte nochmals lebendig werden. So sei bereits seit 1750 der Betrieb der Apotheke nachgewiesen. Es handele sich zudem um die älteste Apotheke der Stadt und die zweitälteste des Main-Spessart-Kreises. Auch auf der Homepage des Museums kann die Geschichte der Apotheke nachgelesen werden. So sei zum Beispiel die Liste der ehemaligen Eigentümer von 1750 bis 2012 komplett vorhanden. Einige der ehemaligen Besitzer werden zudem namentlich erwähnt. Darunter befänden sich auch einige „schillernde Personen“ – wie es augenzwinkernd heißt.

1939 sei die Apotheke schließlich von der Familie Martin gekauft und von Eric Martin in vierter Generation bis zum Jahre 2012 betrieben worden. „Ich habe die Apotheke in den letzten Jahren, von 2006 bis 2012, noch als Filiale betrieben. Das war aber aus wirtschaftlichen Gründen leider nicht zu halten“, berichtet Martin. Er stamme aus einer Apothekerfamilie, die ursprünglich aus dem Sauerland zugezogen sei. In vierter Generation seien die Martins nun schon eng mit Marktheidenfeld verbunden. Gegenwärtig ist Eric Martin Leiter der im gleichen Ort gelegenen Hubertus-Apotheke und ist zudem vielfältig in Lehre, Berufspolitik – und neuerdings auch als Museumsleiter aktiv.

Von der Apotheke zum Museum

Nach Schließung der Obertor-Apotheke im Jahre 2012 musste Martin eine Entscheidung darüber treffen, was mit den Räumlichkeiten und dem Inventar geschehen sollte. Der Entschluss, die Apotheke zu schließen, sei ihm nicht leicht gefallen: „Es hat mir natürlich unglaublich wehgetan, solch einen alten Betrieb zu schließen“, erläutert er. Für eine alternative Nutzung konnte sich der Apotheker jedoch nicht entscheiden, da er die Apotheken-Tradition an diesem Standort nicht abreißen lassen wollte. „Insofern ist relativ zeitig die Idee entstanden, die Sammlung, die vorhanden war, zu ergänzen, die vorhandene, komplett erhaltene Einrichtung zu restaurieren und eben auch als Ausstellungsfläche zu nutzen“, so Martin.

 
Drei Jahre Vorbereitungszeit seien notwendig gewesen, um aus der vorhandenen Einrichtung, dem sich schon im Familienbesitzt befindlichem Inventar und durch Spenden von anderen historischen Apotheken den Bestand zu formen, der heutzutage im Museum bewundert werden könne. „Wir haben durch Familien- oder persönliche Kontakte sehr großzügige Spenden bekommen, mit denen wir das Museum in der Breite erfassen können“, berichtet Martin. Mit Hilfe einer eigens hinzugezogenen Museums-Kuratorin – und viel Unterstützung auf allen möglichen Ebenen – wurde Stück für Stück aus der Apotheke ein Museum geformt. „Es reicht nicht, die Einrichtungsgegenstände zu haben, es reicht nicht, den langen Atem zu haben, so etwas umzusetzen. Sie brauchen viele Leute, die einen unterstützen“, resümiert der Marktheidenfelder Apotheker.
 
 

Das Museum – Entdeckungsort für alle Interessierten

Die Museumshomepage verspricht den Besuchern, einen Blick hinter die Kulissen werfen zu können und dabei 250 Jahre Apothekengeschichte erleben zu können. Die Räume seien in erster Linie mit der Original-Einrichtung der Obertor-Apotheke aus den 1950er Jahren ausgestattet. Hinzugekommen seien regionale Apothekeninventare wie ein Rezepturtisch aus den späten 1870er Jahren. Weitere Einrichtungsgegenstände seien teilweise aus dem Zeitraum um 1850 erhalten. Die Besucher könnten auf eigene Faust das Museum erkunden, Schränke und Schubladen öffnen und sich so auf Entdeckungsreise durch „alle relevanten Aspekte der Apothekerausbildung und Apothekenpraxis“ begeben – versprechen die Verantwortlichen.

Ausbildungsunterlagen aus dem 19. Jahrhundert

Mehr als 900 Sammlungsgegenstände seien nach musealen Aspekten inventarisiert und präsentiert. Stand- und Abgabegefäße und historische Fertigarzneimittel könnten in der Offizin bewundert werden. Der Bereich Apothekerausbildung würde im ehemaligen Büro der Apotheke dargestellt. Unter anderem seien die komplett erhaltenen Ausbildungsunterlagen von Eric Martins Urgroßvater aus den Jahren 1875 bis 1890 Bestandteil dieser Präsentation.

Ferner könne Apothekenpraxis im Bereich Labor mit einer Sammlung verschiedenster Laborgeräte und Messinstrumente erlebt werden. In der ehemaligen Materialkammer werde zudem eine umfangreiche Arzneischatz-Sammlung aus der Zeit der Gründung der Apotheke im 18. Jahrhundert präsentiert. „Also ich finde den alten Arzneischatz interessant. Ich finde das eigentlich auch fast interessanter als kunstfertige und kostbare Standgefäße, wie man sie auch im Antiquitätenhandel sieht – also einfach die Alltagskultur“, erläutert Martin auf die Frage nach eventuellen Lieblingen in der Ausstellung.

Musealer Alltag im Apothekenmuseum

Das kleine Privatmuseum im unterfränkischen Marktheidenfeld habe nicht nur während seiner Entstehungsphase viel Unterstützung – auch finanzielle – erfahren, sondern werde weiterhin von der Stadt unterstützt. „Es ist so, dass die Stadt aufgeschlossen war und die Kosten für die Aufsichtspersonen übernimmt, damit wir im Routinebetrieb jetzt zweimal die Woche das Museum für je vier Stunden öffnen können – mal unabhängig von den regelmäßigen Führungen“, erläutert Martin. So sei das Museum jeden Samstag und Mittwoch in der Zeit von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Für die Führungen – teilweise auch als Themenführungen angeboten – stehe dann der Marktheidenfelder Apotheker persönlich zur Verfügung. Er freut sich über die Bandbreite, die sein Museum präsentieren könne, wodurch der Beruf des Apothekers – aber auch dessen Wandel – dargestellt werden könne. „Ich denke, der Charme des Museums ist, dass sowohl Laien als auch Interessierte vom Fach die Apotheke erkunden können“, fasst Martin zusammen.

 

Inken Rutz, Apothekerin, Autor DAZ.online